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14 Richter für 5.000 Fälle – Arbeitsrechtsreform bringt Obersten Gerichtshof an seine Grenzen

11.12.2016

Die Sozialkammer des Obersten Gerichtshofes kämpft zur Zeit mit einer kaum zu bewältigenden Flut an Fällen. Das Urteil der Richter ist rege gefragt. Im Zusammenhang steht diese Entwicklung wohl mit dem schwachen Arbeitsmarkt in Spanien seit der Wirtschaftskrise. 2012 hatte die neue Regierung Anlass dazu gesehen, Reformen für den Arbeitsmarkt einzuleiten, die insbesondere die rechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern verändert haben.

Die große Arbeitsrechtsreform wurde im Februar 2012 verabschiedet und im Januar 2015 vom Verfassungsgericht bestätigt. Um die Flexibilität des spanischen Arbeitsmarktes zu fördern, wurde das Arbeitsrecht in mehreren Bereichen geändert. Die Reform ermöglicht den Arbeitgebern z.B. das Instrument der Kurzarbeit einzusetzen; auch fallen Abfindungen bei einer Kündigung geringer aus. Offensichtlich haben die Neuerungen Unsicherheiten bei Arbeitnehmern und –gebern verursacht. Der Oberste Gerichtshof weist selbst darauf hin, dass die Rechtsänderungen nicht immer klar verfasst seien. [1] Das Bedürfnis nach einer Klärung der momentanen, veränderten Rechtslage durch die Gerichte ist daher verständlich.

In Zahlen liest sich das gegenwärtige Dilemma des Gerichtshofes wie folgt: Noch 2012 erforderten 3.317 Fälle ein Urteil des Gerichtshofes. Diese Zahl ist seit Inkrafttreten der Reform stetig gewachsen. Während die Anzahl an Fällen von 2012 bis 2015 jährlich um ein paar hundert auf bis zu über 4.000 im Jahr 2015 zunahm, scheinen sich die Auswirkungen der Reform erst heute gänzlich zu entfalten: Im Jahr 2016 hat es einen Wachstumssprung auf momentan 5.000 anhängige Fälle vor der Sozialkammer des Obersten Gerichtshofs gegeben. Auf jeden Richter entfallen dementsprechend ca. 357 Fälle. Die Parteien eines Prozesses müssen aufgrund der regen Inanspruchnahme der Justiz in der Regel elf Monate auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes warten.

Abzuwarten bleibt, wie sich die gegenwärtige Situation weiterentwickelt. Es erscheint plausibel, dass die Zahl an Fällen allein aufgrund der Neuerungen im Arbeitsrecht zugenommen hat – und daher ist von meinem Standpunkt aus auch zu erwarten, dass sie von allein wieder abnimmt. Eine gefestigte Rechtsprechung der Sozialkammer des Obersten Gerichtshofes im Umgang mit den Neuerungen dürfte die Unsicherheiten der Arbeitgeber und –nehmer beenden und das Bedürfnis nach den Diensten der Judikative auf das herkömmliche Maß schrumpfen lassen.

 

Marcel Buhmann - AHK Spanien

 

Artikel

 

 

[1] Valverde, M.: Expansión (Oktober 2016), La reforma laboral colapsa la Sala de lo Social del Tribunal Supremo, Seite 22.