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Das Ende der Welt an der Costa da Morte

14.08.2018

Galicien – eine autonome Gemeinschaft im Nordwesten Spaniens. Hier befindet sich die wohl gefährlichste und zugleich eindrucksvollste Küste des Landes: die Costa da Morte. So manch einer wird sich vor den starken Böen und meterhohen Wellen des Atlantiks fürchten, die mit beachtlicher Kraft an die Küste schlagen und dem Betrachter ein atemberaubendes Naturspektakel bieten. Angesichts der steilen Klippen, die sich aus den dunklen Tiefen des Meeres erheben, wird einem mit etwas Schwindel zunehmend klar, dass die “Todesküste“ nicht ohne Grund diesen Namen verdient.

Sonne, Strand und Meer? Das findet man in Nordspanien nach den herkömmlichen Vorstellungen wohl eher nicht. Ganz im Gegenteil, man kommt sich aufgrund der grünen Landschaft, des Nebels, des feuchten Klimas und der starken Winde, die durch die Berge und Täler wehen, eher wie in Irland oder der französischen Bretagne vor. Die Rede ist von Galicien – eine Region in Spanien, die bislang vom Massentourismus verschont geblieben, jedoch Surferparadies und zugleich Ziel zahlreicher Pilger ist. Man spricht auch vom Land der Mythen und Legenden, die in mysteriöser Weise im Zusammenhang mit seiner wahren Hauptattraktion, der Costa da Morte, stehen.

Eine Reise entlang der Küste führt uns zu kleinen ländlichen Siedlungen, wo wir Geschichten über Schiffsbrüche hören, salzige Meeresluft einatmen, vom Regen überrascht werden, zwischen steilen Felsen und einsamen Sandstränden wandern und dabei nie den Blick zum Atlantik verlieren, der der Region ihre Einzigartigkeit verleiht. Und selbst einem deutschen Tischler kann man hier begegnen.

Riskanter Fang

Offiziell erstreckt sich die Costa da Morte von Malpica de Bergantiños bis zum Kap Cabo Fisterra über mehrere Dutzend Kilometer, wobei Malpica die nordöstliche Grenze der Küste bildet. Das Fischerdorf liegt etwa 50 km westlich von der Provinzhauptstadt A Coruña entfernt und blickt auf den kleinen Archipel der Sisargas-Inseln im Norden, die man hervorragend vom Kap Cabo San Adrián aus bestaunen kann.

Weiter geht es nach Corme, eine acht Kilometer westlich gelegene Teilgemeinde von Ponteceso. Der Hafenort ist in erster Linie bekannt für seine besonders schmackhaften Meeresfrüchte, den „percebes“, die vorrangig an den Felsen um die Punta do Roncudo herum wachsen. Eine äußerst umständliche und riskante Arbeit stellt das Fangen dieser Entenmuscheln dar, die eigenhändig von den Felsen abgekratzt werden müssen. Wie gefährlich die Arbeit wirklich sein kann, sieht man anhand der aus Stein geformten weißen Kreuze in der Umgebung, die an die sogenannten „percebeiros“ erinnern, welche im Kampf um die seltenen Krebstiere gegen das wilde Meer ums Leben gekommen sind. Doch nichts hält die Küstenfischer davon ab, den Fang der percebes fortzusetzen, da sie neben Austern und Hummern ebenfalls zu Spaniens Delikatessen gehören und sich bei Feinschmeckern großer Beliebtheit erfreuen.

Wer auf der Suche nach einem schönen Strand bei ruhiger See ist, sollte nach Laxe fahren. Für Familien mit Kleinkindern eignet sich der gleichnamige Strand ideal zum Baden und Entspannen. Von Corme aus nimmt man am besten die Fähre und überquert die fjordähnliche Ría de Corme e Laxe. Die Rías sind trichterförmige Flussmündungen, die durch das Eindringen des Meeres tief ins Landesinnere entstehen. Man unterscheidet dabei die Rías Baixas von den Rías Altas, wobei letztere von einem steileren Küstenverlauf gekennzeichnet sind, an denen sich die höchsten Kliffs Europas wiederfinden.

Man von Camelle

Etwas südlicher von Laxe entdecken wir den winzigen Ort Camelle. Fragt man die Bewohner nach Besonderheiten des Dorfes, werden sie vermutlich von Manfred Gnädinger erzählen. „Man“ oder auch „O Alemán“, wie er liebevoll von den Einheimischen genannt wird, war ein deutscher Auswanderer, der sich im galicischen Fischerdorf Camelle niedergelassen und sich für ein unkonventionelles Leben an der Atlantikküste entschieden hatte. Meist sah man ihn lediglich mit einem Lendenschurz bekleidet an seinen Skulpturen aus Stein, Pflanzen und tierischen Überresten im Garten arbeiten, woraus später ein Open Air Museum entstand, für das er nur wenig Eintritt verlangte, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Den Bezug zur Natur verlor Gnädinger unmittelbar nach der schweren Havarie des Öltankers Prestige im November 2002, als er im Folgemonat darauf verstarb. Der Unfall sorgte für die größte Umweltkatastrophe an den Küsten Europas und hinterließ ein mit über 60.000 Litern Öl verschmutztes Gebiet, was nicht nur Lebensräume zahlreicher Fische und Wasservögel zerstörte, sondern ebenso entsetzliche Folgen für die Fischerei in Galicien mit sich brachte. Gut 16 Jahre danach und durch eine rigorose Säuberung der betroffenen Strände erinnert kaum noch etwas an das große Unglück.

Der Fall von Prestige ist jedoch nicht der erste in der Geschichte – kaum verwunderlich bei den extremen Bedingungen an der Costa da Morte, die bereits zu unzähligen Schiffbrüchen geführt haben. Darunter fällt auch das Schiffsunglück der britischen Kriegsflotte HMS Serpent, das sich 1890 an der Punta do Boi zugetragen hat. In Gedenken an die Opfer wurde der Cemiterio dos Ingleses errichtet – ein Friedhof mit einem Gedenkstein in der Mitte nahe der Unglücksstelle.

Die Anlage liegt nicht weit entfernt vom Fischereihafen Camariñas, welcher gleichzeitig die Wiege der Klöppelspitze ist – eine veraltete Handarbeitstechnik, bei der mittels kleiner Holzstäbe mit Garn umwickelt, Spitzen angefertigt werden.

Zurück gen Norden führt uns der Weg direkt zum Kap Cabo Vilán, einem schönen Aussichtspunkt mit Blick auf das aufbrausende Meer, das die rauhen Felsen zu verschlingen droht. Der Leuchtturm markiert dabei die Spitze des Kaps.

Das Tor zum Jenseits

Südlich der Ría de Camariñas befindet sich die Gemeinde Muxía, deren Wallfahrtskirche ein wichtiges Pilgerziel darstellt. Der Legende nach soll dem Heiligen Jakob die Mutter Gottes auf einem Boot erschienen sein, um gemeinsam mit ihm die Verbreitung des Christentums zu fördern. In diesem Sinne wurde die Wallfahrtskirche A Virxe da Barca im 17. Jahrhundert erbaut, die für viele Pilger die Endstation ihrer langen Wanderung auf dem Jakobsweg bedeutet. Trotz der vermeintlich friedvollen Kulisse ist man an diesem Ort klimatischen Extremen ausgesetzt – vor allem im Winter, wenn es sehr stürmisch an der Todesküste zugeht.

Idyllisch und fernab vom dramatischen Wellengang des Atlantik ist die Praia de Nemiña – einer der schönsten Sandstrände an der Costa da Morte. Seine weißen Dünen, umgeben von der grünen Hügellandschaft, laden zu ausgedehnten Spaziergängen ein, bei denen man ganz sorgenfrei die Schönheit der Natur genießen kann.

„Das Ende der Welt“ und somit das Ende der Costa da Morte erreichen wir am Kap Cabo Fisterra. Die felsige Landzunge wurde früher als „das Ende Europas“ gesehen, das „Tor zum Jenseits“ – heute ist klar, dass der westlichste Punkt des europäischen Festlandes in Portugal angesiedelt ist. In religiöser Hinsicht endet der Camino de Santiago für die meisten Pilger erst hier, statt in der galicischen Hauptstadt Santiago de Compostela oder in Muxía. Die symbolische Bedeutung des Kaps als das Ende der Welt offenbart sich spätestens durch den traumhaften Anblick des Sonnenuntergangs am Horizont – ein gelungener Abschluss einer spannenden Reise entlang Spaniens Todesküste, der Costa da Morte.

Deutscher Tischler an Spaniens Todesküste

Qualitäts-Tischlerei nach deutscher Handwerkstradition an der Costa da Morte? Klingt ungewöhnlich, aber genau das ist es, was die Arbeit von Frank Buschmann so besonders macht.

Als gelernter Tischler und Industriedesigner eröffnete Buschmann 2012 seine Werkstatt unter dem Namen Woodworks Buschmann Bella in Corcubión, an der Costa da Morte. Gut zu wissen, dass etwa 30 Prozent des Gesamtwaldbestandes von Spanien sich in Galicien befinden – die geeignete Region für den deutschen Tischler, um sich voll und ganz seiner Holzkunst zu widmen. Seiner Meinung nach hat das traditionelle Handwerk einen klaren Vorteil gegenüber der verarbeitenden Industrie hinsichtlich der Aspekte der Nachhaltigkeit, Arbeitsethik und des kreativen Schaffens.

Die Verbindung zwischen Wissen, dem richtigen Werkzeug und Holz ist elementar für die Arbeit bei Woodworksbb, wo man stets nach Perfektion strebt.

Wie fügt sich aber ein deutscher Tischler hier ein? Das fiel ihm aufgrund der Freundlichkeit und des respektvollen Umgangs der Einheimischen nicht schwer. Es war reine Intuition, die ihn an die Costa da Morte geleitet hat, wo er sich als Tischler und gleichzeitig als Künstler frei bewegen kann – hier, am Ende der Welt.

 

Siehe Artikel in der Zeitschrift Economía Hispano-Alemana