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Spanische Justiz kippt 43 Lohnkürzungsabkommen

16.12.2016

Kürzlich hatte die spanische Gerichtsbarkeit über den Bestand von Lohnkürzungsvereinbarungen zu entscheiden. Die Abkommen waren eine Reaktion der Wirtschaft auf die 2008 beginnende Krise. In Zeiten der schwierigen wirtschaftlichen Lage einigten sich Arbeitnehmer und -geber auf massive Kürzungen für ganze Arbeitsbranchen. Inzwischen, im Jahr 2016, zweifeln die Arbeitnehmer die Lohnkürzungsabkommen an.

Ob diese juristisch berechtigt oder sogar sinnvoll sind, ist fraglich. Als Mittel zur Bekämpfung einer akuten Notsituation dürften die Kürzungen jedenfalls grundsätzlich ihre Berechtigung gehabt haben. Sie sollten Unternehmen einen größeren finanziellen Freiraum verschafft und damit positive Impulse für die Wirtschaft begünstigt haben. Nachdem die schwierigsten Jahre der ökonomischen Krise überstanden sind, dürften die Kürzungen jedoch nicht mehr notwendig sein und ihre Legitimation verloren haben. Insbesondere im Hinblick auf das Ausmaß der Kürzungen erschiene ein Festhalten an der getroffenen Regelung von meinem Standpunkt aus unverhältnismäßig: Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände legten für den Sektor der Call Center beispielsweise Kürzungen von 38% im Durchschnitt fest; weiterhin wurden für den Sektor der Logistik sogar Kürzungen von durchschnittlich 48% beschlossen. Gerade in den Bereichen, in denen die Kürzungen vorgenommen wurden, dürfte ohnehin kein hohes Lohnniveau bestanden haben. Unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit und der Gefahr einer weiteren Öffnung der Einkommensschere erschiene mir ein Festhalten an dem gefundenen Lohnniveau unverständlich.

Anders sehen dies die Arbeitgeber, die die damalige Regelung wohl als Geschenk ohne Rückgabepflicht betrachten. Die Arbeitgeberverbände jedenfalls kämpften heftig dafür, dass die getroffene Regelung bestehen bleibt und eine Rückkehr zum Lohnniveau, das vor der Wirtschaftskrise bestand, sich nicht vollziehen kann. Die Arbeitnehmerverbände mussten ihrem Verlangen zur Wiedereinführung des ursprünglichen Lohnniveaus daher mit rechtlichen Mitteln Nachdruck verleihen und sahen die Arbeitgeber mit ihrer entgegengesetzten Position vor Gericht wieder. Dieses gab den Arbeitnehmerverbänden Recht. Es ist aus meiner Sicht bedenklich, dass die besonderen Hintergründe der Kürzungen unter juristischen Gesichtspunkten jedoch keine Rolle spielen. Es scheint für den Urteilsspruch unerheblich gewesen zu sein, dass die Kürzungen eine Reaktion auf die einmalige Drucksituation waren: Die Annullierung der Lohnkürzungsabkommen stützt das Urteil vielmehr darauf, dass die damalige Regelung juristisch nicht wirksam getroffen wurde. Denn das Oberlandesgericht für zentrale Fragen hat festgestellt, dass die Vereinbarungen ohne die notwendige Vertretungsbefugnis geschlossen wurden und aus diesem Grund unwirksam sind.

Auch wenn das Ergebnis zu begrüßen ist, lässt das Urteil aus meiner Sicht eine unangenehme Lücke zwischen Recht und sozialer Sinnhaftigkeit zurück.

 

Marcel Buhmann - AHK Spanien

 

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