Garmendia ist sich der „Unterrepräsentation der großen europäischen Unternehmen, die am meisten in Forschung und Entwicklung investieren“, bewusst: Nur 365 der 2.500 Unternehmen, die weltweit am meisten in Innovation investieren, stammen aus Europa. Aus diesem Grund weist die Cotec-Präsidentin auf die dringende Notwendigkeit einer stärkeren und kohärenteren europäischen Industriepolitik hin: „Die Pandemie, der Krieg und die Lieferengpässe haben uns vor Augen geführt, dass be stimmte Ziele nur erreicht werden können, wenn wir vereint handeln. Die Stärkung unserer technologischen Souveränität, das Engagement für die Energiewende, die Verbesserung unserer Infrastrukturen und die Orientierung an den höchsten Sozial- und Umweltstandards waren die Leitprinzipien der Next-Generation-Fonds – unsere größte Anstrengung, damit die EU im techno logischen und industriellen Bereich die ihr zustehende Position wiedererlangt.“
Um die Herausforderungen des aktuellen technologischen Wandels zu meistern, hält Cristina Garmendia „eine effektive Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Verwaltung und Bevölkerung“ für unerlässlich. Dafür sollten ihrer Ansicht nach „Dialogräume geschaffen werden, in denen die verschiedenen Akteure Wissen austauschen und gemeinsame Strategien entwickeln können.“ Allerdings stellt sie fest, dass die öffentlich-private Zusammenarbeit in Spanien eine historische Herausforderung dar stellt und einen starken Impuls benötigt.
Besonders besorgt sind wir über das Phänomen der Lohnpolarisation, wenn also der Anteil der Beschäftigten in Berufen mit mittleren Einkommen sinkt, während die Anzahl der Arbeitsplätze mit hohen und niedrigen Einkommen steigt“
Zur Förderung eines Klimas der Innovation innerhalb von Unternehmen ist es Garmendia zufolge notwendig, den Mitarbeitenden „Zeit und Räume für ihre berufliche Weiterentwicklung zu bieten. So können sie Dinge schaffen, die ihnen als Arbeitnehmer zugutekommen und die sich gleichzeitig positiv auf das Unternehmen auswirken.“ Die Stiftungsvorsitzende hebt hervor: „Indem Unternehmen ihren Teams Zugang zu aktuellen Werkzeugen und aktuellem Wissen verschaffen, stellen sie sicher, dass diese schon frühzeitig Trends erkennen und neue Technologien anwenden können.“ In diesem Kontext spiele das Büro als „Ort des Austauschs unter Mitarbeitenden, der innerhalb der Teams Inspiration und Schaffenskraft fördert“, eine zentrale Rolle für die Innovationsentwicklung. Zugleich warnt Garmendia vor einem Übermaß an Homeoffice-Arbeit, da dadurch informelle Interaktionen einschränkt werden könnten, die für spontane Innovation essenziell sind.
Was die Auswirkungen der Digitalisierung und der Anwendung künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt angeht, so stellt Garmendia fest, dass „die wahre Herausforderung nicht in der Quantität der Arbeitsplätze liegt, sondern in ihrer Qualität und in den tiefgreifenden Veränderungen, denen sie unterworfen sind.“ In diesem Zusammenhang betont sie: „Besonders besorgt sind wir über das Phänomen der Lohnpolarisation, wenn also der Anteil der Beschäftigten in Berufen mit mittleren Einkommen sinkt, während die Anzahl der Arbeitsplätze mit hohen und niedrigen Einkommen steigt.“ Dazu erklärt Garmendia: „Die neue Wirtschaft begünstigt tendenziell diejenigen mit einer höheren Ausbildung, drängt Fachkräfte aus dem mittleren Segment in schlechter bezahlte Tätigkeiten und reduziert drastisch die Chancen für Personen mit geringerer Qualifikation.“